Eurovision 2024 | Spezial

ich wollte nochmal ein bisschen was zu unserem Besuch beim diesjährigen ESC loswerden:
wir waren ja nicht zum ersten Mal bei einem ESC vorort, aber sind danach noch nie so sehr enttäuscht gewesen. Das hatte mehrere Gründe.
Zum einen stand da dieser Elefant im Raum oder schwebte besser gesagt über der ganzen Stadt: dieser Konflikt zwischen zwei Gruppierungen, deren genaue Namen ich hier nicht unbedingt genau erwähnen möchte. (Suchmaschinen und so…)
Es kam bei mir irgendwie so gar keine richtige Vorfreude auf, selbst beim Kofferpacken dachte ich für mich: hoffentlich geht alles gut und kommst wieder gut nach Hause. Auch auf der Fahrt nach Kopenhagen war es eher eine “ich bin mal übers Wochenende weg”-Stimmung. Ansonsten war ich in den Jahren zuvor schon immer sehr aufgeregt, plante viel und konnte es kaum abwarten endlich vorort zu sein.

Malmö wurde im Juli 2023 als Host City ausgewählt, dort leben viele Einwanderer, hat eine sehr hohe Kriminalitätsrate und viele Leute dort haben ein Problem mit einer bestimmten Gruppierung, besonders seit Anfang Oktober. Das war dann sicher auch schon zu spät, um die Planungen umzudenken um eine neue Host City auszuwählen.
In der Regel wird dann im Herbst auch das Artwork und Motto bekanntgegeben: auch hier schon pure Enttäuschung, es wurde einfach den Slogan “United by Music” aus dem Vorjahr übernommen. Erstens wie frech ist das bitte und außerdem wird dadurch auch der 2023er Jahrgang total abgewertet: Dort war der Slogan nämlich sehr treffend, da ja UK für die Ukraine eingesprungen ist und das auch eine besondere Situation war. Für mich sieht das Artwork aus, als hätte das der Praktikant in 20 Minuten erstellt. Animiert mag das ja noch ganz ok aussehen, aber in Print und auf Merch Produkten sieht es einfach nur furchtbar aus.

Wenn ich ein Highlight dieser 6 Tage nennen müsste, würde ich das Wiedersehen und die gemeinsame Zeit mit meiner Freundin aus dem Kopenhagener Vorort nennen, aber sie hat jetzt nicht so viel mit dem ESC zu tun. Auch das wir Kopenhagen schon gut kennen und Malmö für uns auch nicht so spannend war, gab es auch nicht besonders viel neues zu Entdecken, was wir sonst in der ESC Woche machen würden. Auch das trug zur negativen Stimmung bei.
Die Bühne und die Technik dahinter war schon sehr beeindruckend, auch wenn sie wie ein weiterer Entwurf der 2016er Bühne aussieht. Nun ja.

Es gibt die 3 Live Shows: Semi 1 am Dienstag, Semi 2 am Donnerstag und das Finale am Samstag. Und zu den jeweiligen Shows gibt es diverse Proben mit und ohne Publikum, eine davon ist am Vorabend (früher war das die Show, an der die Jurys abgestimmt haben). Und genau für diese Probe am Vorabend hatten wir unser Ticketpaket vom Fanclub für alle 3 Shows. Es war also der Vorabend zum Semi 2 (das umstrittene Land ist heute dabei) und wir machten uns gegen 18:30 auf dem Weg zur Arena, der Einlass endete um 20:30, Showbeginn ist dann um 21:00 Uhr. Fahrtzeit vom Hotel bis zur Arena waren etwa 20 Minuten. Soweit so gut, doch kurz nachdem wir an der Bahnstation ankamen stand auf der Anzeige: Zug gestrichen “Polizeieinsatz auf der Brücke”, auch die darauffolgenden Züge fuhren höchstens nur noch bis zum Flughafen Kopenhagen. Das ist die letzte Station vor der Brücke, wir entschieden uns gemeinsam mit anderen ESC Fans erstmal dorthin zu fahren, um die Chancen zu erhöhen noch rechtzeitig über die Brücke zu kommen.
Dort angekommen hieß es erstmal warten, warten und nochmals warten. Die Hoffnung, das der nächste Zug fahren kann wurde mit der erneuten Streichung wieder zunichte gemacht. Der Bahnsteig wurde voller und voller und die Zeit ging vorbei. Knapp 2,5 Stunden standen wir da, bis der erste Zug nicht mehr gestrichen wurde und die Brücke offiziell auch wieder offen war. Ich habe es auch noch nie erlebt, das einem einfahrendem Zug applaudiert wurde. Doch zu früh gefreut, diese Züge waren so voll (am Hauptbahnhof in Kopenhagen muss die Situation ähnlich wie am Flughafen gewesen sein), das niemand weiteres mehr einsteigen konnte und durfte. Ich habe noch den Blick einer Lokführerin vor Augen, der es auch so leid tat, wie die Situation war und sie nicht mehr für die Leute am Flughafen machen konnte. Mittlerweile war es schon 21:30 und die Aussicht, das wir mit einem Zug rüberkommen, waren sehr gering. Wir entschieden uns nach oben zu gehen und doch ein überteuertes Taxi zu finden. Zum Glück haben uns 2 Schweden angesprochen, die eigentlich nur von der Arbeit nach Hause wollten. Das half uns schon sehr, jemanden dabei zu haben, der fließend Schwedisch sprechen kann. Einer der beiden drängte schnell nach vorne und fand sogar ein freies Taxi. 1500 schwedische Kronen, 150 € für 4 Personen. Ja oder Nein? Entscheidet euch, sonst ist das Taxi von jemand anderes belegt. Ja, OK. Wir werden versuchen, die Kosten bei dem Bahnbetreiber wieder zurückzuholen. War ja auch irgendwie klar, das der Taxifahrer versuchte uns nochmal über den Tisch zu ziehen, indem er erst mal probiert hat JEDEM von uns 1500 Kronen abzuverlangen, doch das diskutierte der schwedische Muttersprachler mit ihm aus und es blieb doch bei dem geteilten Betrag. Kurz vor 22 Uhr erreichten wir dann die Arena, so viele Polizisten hab ich auch noch nie gesehen!
Es blieb ja immer noch die ungewisse Frage: werden wir überhaupt noch reingelassen? Doch die Sache mit der Brücke hat sich wohl sehr schnell bis Malmö rumgesprochen und man hatte Verständnis für die Situation und wir wurden sofort reingelassen. So konnten wir dann immerhin noch 8 von 16 Teilnehmern anschauen. Was für ein Drama. Es gibt natürlich keine offiziellen Infos dazu, aber ich bin der Meinung, das war bestimmt im Zusammenhang mit dem Semi 2 und die Brücke war ein wunder Punkt und hat mehr Leute betroffen, als nur ESC Fans.

Die Sicherheitsvorkehrungen vor der Halle waren schon eine Tortur: es ganze eine ganze Liste verbotener Gegenstände und es wurden z.B. den Fans die Fahnenstangen der kleinen Fähnchen abgenommen, auch Taschen waren in keinster Weise erlaubt. Das Fehlen der kleinen Fähnchen im Publikum trägt für mich schon viel zur ESC Stimmung bei und das macht diese Veranstaltung ja auch so besonders.
Die Scharfschützen auf den Dächern im Umkreis der Arena und die vielen Polizisten gaben Sicherheit aber auch gleichzeitig ein beklemmendes Gefühl. Auch im Fandorf, dem sogenannten “Eurovision Village” und des “Euroclub” waren Kontrollen und ganze Aufgebot der Sicherheit an der Tagesordnung. Und dann waren noch die rot/weiß/grün/schwarzen Fahnen an vielen Balkonen, Geschäften und vielen Stellen hingesprayt, Tücher mit bestimmten Muster und so ziemlich überall wo ESC Fans auftauchten wurde die Anti-Meinung der Einwohner gegen die Veranstaltung deutlich kundgetan. Zum Glück hab ich aus unserer Fanclub-Bubble nichts mitbekommen, das ein ESC-Fan körperlich angegriffen wurde. Ich war immer froh, wenn wir wieder dänischen Boden betreten haben, dort war ja auch unser Hotel.
Was ich in all den Jahren unserer Besuche auch noch nie erlebt habe, das an der ESC Deko in der Innenstadt so massiv Vandale betrieben wurde. Schade, sehr schade und traurig. Eigentlich sollte doch diese Veranstaltung die beste Werbung für eine Stadt sein, damit ich all meinen Freunden erzählen kann, wie toll diese Stadt ist und sie auch unbedingt mal dahinfahren sollten: Nein, tut es nicht!

und wenn man dann glaubt, schlimmer kann es nicht mehr werden: doch, indem die EBU als Veranstalter einen der Favoritenbeiträge kurzerhand disqualifiziert. Die eine Seite sagt es sei eine Lappalie, die andere sagt, es sei eine Straftat. Der Fall ist noch nicht endgültig geklärt, aber das hat noch einmal extra für Unmut unter den Fans gesorgt.

Ich bin jetzt der Meinung, das dieses doch sonst so friedliche und völkerverständigende Ereignis so sehr für die eigenen Interessen der einen Gruppierung instrumentalisiert worden ist. Auch sind die deutschen Medien in der ESC Woche genau darauf angesprungen sind: fast schon tägliche Berichte über die Demonstrationen waren relevant für eine Berichterstattung. All die Jahre zuvor war der ESC in der Tagesschau gerade mal eine Randnotiz mit dem Gewinner und der deutschen Platzierung.

Wir geben nicht mehrere Hunderte von Euros aus, um bei der Veranstaltung dabei sein zu können, um mich auf eine Seite der beiden Gruppierungen stellen zu müssen. Mich interessiert keine Politik, ich will spannende neue Musik aus allen Ecken Europas oder besser gesagt “EBU Vollmitglieder” hören. Ich möchte auch eine gute Zeit haben, gleichgesinnte Freunde treffen, mit ihnen unsere ESC Songs feiern, die Songs in der Halle mitsingen, meinem Favoritenland die Daumen drücken. Egal wo derjenige herkommt und wie die Fahne dazu aussieht!
Doch das war dieses Jahr speziell bei einem Song gar nicht der Fall, es gab viele laute Buhrufe gegenüber des Künstlers und das hat mir echt das Herz gebrochen.

Warum das eine Land dieses Jahr nicht ausgeschlossen wurde (wie von vielen gefordert), könnte daran liegen das einer der größeren Sponsoren genau aus diesem Land kommt. Auch das große Werbekampagnen z.B. bei YouTube für diesen Song gebucht wurden und Leute dieser Gruppierung überall sind und mehrere Smartphones und Kreditkarten besitzen und damit dann auch entsprechend oft abstimmen können. Das kann eine Erklärung für die hohe Platzierung sein, es waren aber sicherlich auch Sympathievotes dabei, ähnlich wie es in 2022 für die Ukraine war.

Für weitere Einblicke habe ich noch ein 34 Minuten langes Video, aus Sicht eines Eurovision Youtubers, der u.a. auch im Pressezentrum war und die ganze Situation sehr gut zusammenfasst hat. Außerdem lohnt sich bei weiterem Interesse ein Blick bei Eurovisionworld für die neuesten Nachrichten, oder man hört mal in meine beiden liebsten Eurovision Podcasts rein: ESC Schnack und ESC Greenroom

Wie geht es nun weiter?
Ich bin der Meinung, jede Leidenschaft hat ihre schlechten Phasen, vergleichbar mit dem Liga-Abstieg der Lieblingsmannschaft beim Sport. Wir planen nächstes Jahr kein Besuch in der Gastgeberstadt, sondern wollen wieder eine ESC Party bei uns zuhause machen. Die letzte war 2017 und war echt lustig! Allerdings werden wir zum Eurovision Weekend im Sommer nach Hamburg und im November zu unserem jährlichen Fanclutreffen nach Köln fahren.

Hoffen wir auf das Beste!

Ähnliche Beiträge

4 Kommentare

  1. Spannend das mal so aus der Perspektive zu lesen. Wir sind ja jedes Jahr so Team “Oh ist schon wieder ESC? Wollen wir das heute Abend schauen?” Dann bin ich jedes Mal enttäuscht, dass Deutschland so schlecht liegt, weil sie in den letzten Jahren eigentlich immer ganz gut meinen GEschmack getroffen haben und achja… mir fehlt einfach die gleiche Begeisterung wie bei euch dafür. Aber vielleicht sollte man sich im Vorfeld auch mal intensiver damit beschäftigen und dann wirklich eine ESC Party machen: Das hat viel Potential <3

    1. Das kann ich sehr gut verstehen. Es gibt auch jedes Jahr Preview Partys, wo die Künstler schon einmal auftreten. Wenn Interesse besteht, kann ich hier auch ein wenig berichten. Nächstes Jahr wird es auch eine ESC Party zuhause geben, weil wir nicht in die Schweiz fahren werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert